Titel der Studie:
Wirkt Strafe, wenn sie der Tat auf dem Fuße folgt? Zur psychologisch-kriminologischen Evidenz des Beschleunigungsgebots.
Autor oder Herausgeber:
Bliesener, T. & Thomas, J.
Erscheinungsjahr:
2012
Sprache:
Deutsch
Publikationsart:
Wissenschaftliche Fachzeitschrift (ohne Peer Review)
Studie online veröffentlicht?
Nein
Verfahrensbeschleunigung
Verfahrensbeschleunigung
Keine Angabe
Christian-Alberts-Universität zu Kiel, Institut für Psychologie
Erhebung der Primärdaten im Auftrag des LKA NRW
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Für die Studie wurden Jugendliche ausgewählt, für die Eintragungen im Bundeszentralregister (BZR) vorlagen und die in einem Kalenderjahr mindestens drei Mal polizeilich als Tatverdächtige in Erscheinung traten. Die Daten stammten aus einer umfangreichen Evaluation zu jungen, polizeilich geführten Intensivtätern in Nordrhein-Westfalen. Die Stichprobe bestand aus 380 männlichen Jugendlichen mit einem Durchschnittsalter von 19,4 Jahren. Darüber hinaus wurden Jugendliche miteinbezogen, die nicht als polizeiliche Intensivtäter geführt wurden, obwohl sie eine vergleichbare Deliktbelastung aufwiesen. Es erfolgte eine Zuteilung zu Untersuchungsgruppen nach Verfahrensdauer.
Direkte Effektmaße
Sekundärdaten: Quelle der Daten
- Korrelation zwischen Verfahrensdauer und Rückfallzeitpunkt
- Überlebensanalyse
Bezugsgröße / Maßstab für den Effekt der Maßnahme
Mit dem Zustand vor Beginn der Maßnahme.
Mit einer Kontrollgruppe.
Erläuterungen
Es wurden vier verschiedene Gruppen nach Verfahrensdauer gebildet (51-150 Tage, 151-200 Tage, 201-365 Tage, 366-1000 Tage).
Nicht repräsentative und qualitative Auswahlverfahren
380
400
Keine Angabe
Keine Angabe
Anzahl der Personen:
Keine Angabe
Rate:
Keine Angabe
Im Rahmen der Evaluation wurden die BZR-Auszüge von 400 Jugendlichen herangezogen. Es gab einen Stichprobenausschluss von insgesamt n=20 Probanden, weil entweder keine zuverlässigen Legalbewährungszeiträume bestimmbar waren oder kein Tatdatum im Bundeszentralregister vorlag. Unter den Probanden befinden sich auch Jugendliche, die nicht als polizeiliche Intensivtäter geführt werden, aber eine vergleichbare Deliktbelastung aufweisen.
Intervall
Für metrische Variablen
Korrelationskoeffizient
Die Studie macht keine Angaben
Laut Einschätzung der Autoren gibt es keinen Hinweis auf eine kriminalitätsreduzierende Wirkung von Verfahrensbeschleunigungen. Daher solle das Beschleunigungsgebot reflektierter betrachtet werden. Zwar könne es zur psychischen Entlastung des Beschuldigten beitragen und ließe sich dadurch bereits begründen. Allerdings sprächen die Ergebnisse nicht für eine abschreckende Wirkung der Beschleunigung. Mit einer längeren Verfahrensdauer gingen in der Untersuchung spätere Rückfälle einher. Dieser Zusammenhang könne allerdings auch auf die Selektion der Verfahren durch die Gerichte zurückzuführen sein, die wohl dringlichere Fälle mit ungünstigerer Rückfallprognose vorgezogen behandelten.
Bei den jugendlichen Probanden, mit einer Rückfalltat innerhalb des Erhebungszeitraumes (n=203), konnte mittels einer korrelativen Auswertung ein schwacher Zusammenhang (r=.17) zwischen Verfahrensdauer und Rückfallgeschwindigkeit festgestellt werden. Dieses Ergebnis war signifikant (p=.002) und spricht dafür, dass eine längere Verfahrensdauer mit einer geringeren Rückfallgeschwindigkeit einhergeht. Auch die durchgeführte Überlebensanalyse ließ darauf schließen, dass eine kurze Verfahrensdauer keine kriminalitätsreduzierende Wirkung hat - entgegen der Annahme, diese sei erzieherisch wirksamer.
Ansatz/Maßnahme hat keinen signifikanten Einfluss auf Kriminalität. (n.s.) [0]
Die Autoren räumen ein, dass es sich um eine regional begrenzte Studie sowie um Probanden mit mittlerer bis hoher Kriminalitätsbelastung handelt. Sowohl andere Strafmerkmale als auch die Rückfallschwere und -häufigkeit wurden nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Evaluation konnten teilweise nur kurze Legalbewährungszeiträume betrachtet werden. Die Autoren sprechen sich für das Beschleunigungsgebot aus, da es zur psychischen Entlastung der Probanden beitrage. Allerdings sehen sie die pädagogische Begründung des Gebots, die sich auch empirisch nicht bestätigen ließ, kritisch.
Stufe 2: Die Studie benennt ein klares überprüfbares Untersuchungsziel und beschreibt die methodische Operationalisierung.
Stufe 2: Der methodische Zugang ist geeignet für das Untersuchungsziel der Studie. Es gibt keine (oder kaum) evaluationspraktische Hindernisse bei der Evaluation.
Stufe 2: Die Studie benennt theoretische Annahmen über die Wirkungsweise der Präventionsmaßnahme und stellt einen ausreichenden Bezug zu deren empirischen Überprüfung her.
Stufe 0: Die Stichprobe ist nicht repräsentativ: Die Ergebnisse sind nur für die Teilnehmer der Studie gültig.
Stufe 4: Die Studie verwendet ein theoretisch verankertes und empirisch bewährtes Messinstrument zur Messung der Effektgröße (die Reliabilität des Instruments wurde empirisch überprüft).
Stufe 4: Die Auswertung der empirischen Daten ist nachvollziehbar dokumentiert, erfolgt anhand der geeignetsten Auswertungsmethoden und ohne erkennbaren Fehler.
Stufe 2: Angemessene, reflektierte und sachliche Interpretation der Ergebnisse; selbstkritische Reflexion möglicher Grenzen und Einschränkungen der Ergebnisse.
Stufe 2: Unabhängige Evaluation durch externe Einrichtung/Person ohne erkennbaren Interessenkonflikt.
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